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Friedrich Schiller:

Die Räuber

 

(verfasst von Wolfgang Wallner-F.
 
www.wolfgangwallnerf.com)

 

 

 

 

 

 

Autor: Johann Christoph Friedrich von (1802) SCHILLER :

Geboren: 10. November 1759 in Marbach (Württemberg), gestorben 9. Mai 1805 in Weimar.

 

Lebenslauf:

(aus Brenner/Bortenschlager: Deutsche Literaturgeschichte 1)

 

1. Jugend, Sturm und Drang:

 

Johann Christoph Friedrich Schiller wurde am 10. November 1759 zu Marbach (Württemberg) geboren. Sein Vater war Feldscher, dann Werbeoffizier, zuletzt Hofbeamter in Stuttgart. Die Mutter war eine Tochter des Löwenwirtes Kodweiß in Marbach. Ersten Unterricht genoss er bei Pastor Moser in Lorch. In Ludwigsburg, wo er die Lateinschule besuchte, lernte er das Hoftheater kennen. Sein Wunsch war Pfarrer zu werden, aber er musste das lernen, was sein Landesvater, der Herzog Karl Eugen, vorschrieb, der jeden Untertanen an die Stelle setzte, wo er dem Ansehen und Nutzen des Staates dienen konnte. Auf seinen Befehl musste Schiller die „Militärpflanzschule“ besuchen, in der er von 1773 bis 1780 Medizin studierte. Der militärische Drill in dieser „Karlsschule“ lastete schwer auf Schiller; Erholung fand er in einem Freundeskreis und in der Lektüre Klopstocks, Lessings und der Stürmer und Dränger. Er entwarf Dramen, schrieb Festgedichte und war erfüllt von aufrührerischer Opposition gegen eine Gesellschaft und einen Staat, in dem alles Zwang war und der Mensch nichts galt. Diesen Hass auf die Tyrannei schrieb er sich in den „Räubern“ von der Seele. 1780 hatte Schiller sein Studium mit der Abhandlung „Versuch über den Zusammenhang der tierischen Natur des Menschen mit seiner geistigen“ beendet und lebte nun als Regimentsarzt in Stuttgart. Zwei Reisen nach Mannheim zu Aufführungen der „Räuber“ brachten ihm Hausarrest und das Verbot, „Komödien“ zu schreiben. Darum floh er mit seinem Freund Andreas Streicher im September 1782 unter falschem Namen aus Stuttgart nach Mannheim, wo er sein zweites fertig gestelltes Drama, „Fiesco“, auf die Bühne zu bringen hoffte. Doch der Intendant des Mannheimer Theaters, Dalberg, ließ ihn aus Angst vor dem Herzog im Stich. Jahrelanges Ringen um die nackte Existenz, Not, Entbehrungen und erschütterte Gesundheit waren die Folgen. Kurze Zeit hielt er sich im nahen Oggersheim auf, dann fand er zeitweilig eine Zuflucht bei Frau von Wolzogen in Bauerbach. Erst 1783 stellte ihn Dalberg als Theaterdichter in Mannheim ein. Doch die erzwungene Arbeit und die unerquicklichen Theaterverhältnisse verleideten ihm den Aufenthalt, sein Vertrag wurde nach einem Jahr nicht mehr erneuert. Da boten ihm unbekannte Verehrer in Leipzig ihre Hilfe an: Von 1785 bis 1787 war Schiller Gast im Haus des Juristen Gottfried Körner, der sein treuer, selbstloser Freund wurde. In diesen zwei glücklichen Jahren entstand sein „Lied an die Freude“; hier schloß er den „Don Carlos“ (1787) ab.

 

2. Wendung zur Klassik:

 

Aus der Obhut seines Freundes Körner begab sich Schiller 1787 nach Weimar, in den literarischen Mittelpunkt, um sich mit Goethe, Wieland und Herder zu messen. Er konnte dabei auf seine geschichtlichen Studien bauen; seine „Geschichte des Abfalls der vereinigten Niederlande“ verschaffte ihm eine karg bezahlte Stelle als Professor für Geschichte an der Universität Jena. Seine Lehrtätigkeit eröffnete er mit der bedeutungsvollen Antrittsvorlesung: „Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?“, in der er den „Brotgelehrten“ dem Forscher nach der Wahrheit gegenüberstellte.

1790 vermählte sich Schiller, da er sich finanziell gesichert glaubte, mit Charlotte von Lengefeld. In ihrem Elternhause war er Goethe begegnet. Seine Wohnung hatte er nun in Jena aufgeschlagen. Überanstrengung in seinem Beruf, mit literarischen Arbeiten und der Herausgabe der Zeitschrift „Thalia“, stürzten ihn mehrmals in schwere Krankheiten und arge finanzielle Nöte. Wieder rettete ihn die Hilfe unbekannter Freunde und Verehrer aus Dänemark: sie setzten ihm für drei Jahre eine jährliche Pension von 1000 Talern aus. In dieser Zeit, da er erstmals wieder in seine Heimat reiste, studierte er Kants Philosophie: die Hilfe der Freunde bedeutete für ihn die Verpflichtung zu fortschreitender Bildung.

Eine neuerliche Begegnung mit Goethe nach einer Versammlung der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft in Jena brachte eine Zusammenarbeit in Schillers Zeitschrift „Die Horen“ und führte 1794 zum Freundschaftsbund der beiden Großen von Weimar. Das war der Anlass zum fruchtbaren Gedankenaustausch und dem berühmten Briefwechsel, der bis 1799 reichte, da Schiller nach Weimar übersiedelte. Es entstand seine Gedankenlyrik, er schrieb 1797 den Großteil seiner Balladen, und er begann seine klassische dramatische Arbeit, die bis zu seinem Tode reichte. In Anregungen und Vorschlägen ergänzten sich Goethe und Schiller, kritisierten einander, legten sich Stoffe vor, unterwarfen sich den gegenseitigen Vorschlägen und schufen ihre großen Werke.

Schiller musste seine Werke einem kranken Körper abringen; es war ein Wettlauf mit dem Tod. Todkrank wollte er seinen „Demetrius“ beenden, am 9. Mai 1805 setzte der Tod seiner Arbeit ein Ende.

 

Schon früh kam Schiller der Urkonflikt von Trieb und Geist, Natur und Freiheit zum Bewusstsein. Die Jugendlyrik steht stark unter Klopstocks Einfluss, sie ist pathetisch und spekulativ („Anthologie auf das Jahr 1782“). Vom Anfang an wird die Freiheitsidee leidenschaftlich verfochten und in verschiedenen Varianten dramatisch behandelt; so schon in den „Räubern“, wo der Held aus Weltverbesserungswillen zum Verbrecher wird. Entscheidend wurde für Schiller die Auseinandersetzung mit Kants Philosophie, die er selbständig weiterentwickelte. Für Schiller ist vollendete Sittlichkeit - Würde - allein in der Versöhnung von Pflicht und Neigung möglich, während Kant das Primat der Pflicht betont. In der Anmut erscheint geistige und leibliche Schönheit als ästhetische Harmonie vereint („Über Anmut und Würde“, 1793). Im Gegensatz seiner von Ideen gelenkten Dichtung zu der naturhaften Goethes sieht Schiller zugleich den Gegensatz antiker und moderner Kunst (jene naturnah, diese die Natur suchend: „Über naive und sentimentale Dichtung“, 1795/96). Das Drama „Don Carlos“ (1787) spiegelt den Übergang vom frühen, subjektiven Ansatz zum philosophischen Ideendrama, worin weltgeschichtlich-sittliche Entscheidungen ausgetragen werden. Die klassischen Dramen Schillers mit ihrem Sinn für dramatische Steigerungen kennzeichnet der tragische Konflikt des zwischen den Zwang der physischen Notwendigkeiten und die Berufung zu moralischer Freiheit, zwischen Wirklichkeit und Idee, Schicksal und Selbstrealisierung gestellten Menschen. Für Schiller besitzt der Mensch die unverlierbare Fähigkeit, seine metaphysische Freiheit, auch um den Preis des Lebens, zu behaupten oder die preisgegebene wieder zu ergreifen.

Schillers Prosa fand seinen künstlerischen Höhepunkt in seinen philosophisch-ästhetischen Schriften (besonders: „Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen“; 1795).

Schiller ist im 19. Jahrhundert der eigentliche deutsche Nationaldichter geworden. Die rasche Auflösung des idealistischen Denkens durch die ökonomische und naturwissenschaftliche Entwicklung bewirkte dann, dass seine Kunst als rhetorisch und pathetisch empfunden wurde! (Bild Reinhart).

 

Werke:

 

Dramen:

 

Die Räuber (Sturm und Drang, 1781 gedruckt)

Die Verschwörung des Fiesko zu Genua (Sturm und Drang, 1783)

Kabale und Liebe (1783)

Don Carlos (1787)

 

(Klassische Dramen:)

 

Wallenstein (1800):

Wallensteins Lager

Die Piccolomini

Wallensteins Tod

 

Maria Stuart (1800)

Die Jungfrau von Orléans (1801)

Die Braut von Messina (1803)

Wilhelm Tell (1804)

Demetrius (1805, Fragment)

 

Lyrik:

 

Gedankenlyrik:

Das Mädchen aus der Fremde, Die Teilung der Erde, Pegasus im Joche, Die Ideale, Das Ideal und das Leben, Der Spaziergang, Die Worte des Glaubens, Das verschleierte Bild zu Sais, Das Eleusische Fest, Die Künstler, Das Lied von der Glocke(1800).

 

 

 

Die Balladen:

Der Ring des Polykrates, Der Taucher, Die Kraniche des Ibykus, Der Gang nach Eisenhammer, Der Handschuh, Ritter Toggenburg, Der Kampf mit dem Drachen, Die Bürgschaft.

 

Philosophisch-ästhetische Schriften:

 

Die Schaubühne als moralische Anstalt betrachtet (1784)

Über den Grund des Vergnügens an tragischen Gegenständen (1792)

Über das Erhabene (1793)

Über Anmut und Würde (1793)

Über die ästhetische Erziehung des Menschengeschlechtes (1795)

Über naive und sentimentale Dichtung (1795 - 1796)

 

Gemeinsame Arbeiten mit Goethe:

 

Die Horen (Zeitschrift 1795-1797)

Xenien (Abrechnung mit Gegnern, Kritik des zeitgenössischen Lebens 1796)

Weimarer Theater (gemeinsame Bearbeitung verschiedener Dramen)

Briefwechsel

 

Die Räuber

Schauspiel in fünf Akten

 

(1776 - 1780 auf der Karlsschule; gedruckt 1781; aufgeführt in Mannheim 1782)

 

Protagonisten:

 

Maximilian, regierender Graf von Moor

Karl und Franz, seine Söhne

Amalia von Edelreich

Spiegelberg, Schweizer, Grimm, Razmann, Schufterle, Roller, Kosinsky, Schwarz (alle Libertiner, dann Räuber)

Hermann, Bastard von einem Edelmann

Daniel, Hausknecht des Grafen von Moor

Pastor Moser

Ein Pater

Räuberbande

 

Ort und Zeit:

 

In Deutschland, um die Mitte des 18. Jahrhunderts

 

 

Inhalt:

(aus Reclams Schauspielführer)

 

Maximilian, regierender Graf von Moor, hat zwei ungleiche Söhne, den edlen, hochstrebenden Karl und den boshaften und von der Natur benachteiligten Franz. Franz versteht es, den Vater gegen Karl einzunehmen. Mit Hilfe von gefälschten Briefen treibt er es so weit, dass der alte Moor in Karl nur noch einen verluderten Studenten sieht, den man steckbrieflich verfolge und auf dessen Kopf bereits ein Preis gesetzt sei. Der Vater lässt ihm durch Franz schreiben, dass er seine Hand von ihm ziehe, und enterbt ihn. Franz, „die Kanaille“, triumphiert und sieht sich nahe seinem Ziel: alleiniger Herr auf dem Schloß und über die Güter seines Vaters zu werden. Karl Moor hat gewiss ein wildes Leben geführt und mancherlei Streiche mit seinen Kameraden verübt. Sie sind jedoch nicht so schwerwiegend, dass sie nicht gesühnt werden könnten. Und schon ist er entschlossen, zu seinem Vater zurückzukehren, ihn um Vergebung zu bitten und an der Seite seiner Braut Amalia ein ruhiges Leben zu führen, als der Schandbrief des Bruders eintrifft, der ihm jeglichen Weg zur Versöhnung abschneidet. Nun ist kein Halten mehr bei dem mit höchsten Energien geladenen Jüngling, dem seine Zeit nur als ein „tintenklecksendes Säculum“, als ein „schlappes Kastraten-Jahrhundert“ vorkommt, „zu nichts nütze, als die Taten der Vorzeit wiederzukäuen und die Helden des Altertums mit Kommentationen zu schinden und zu verhunzen mit Trauerspielen“. Und die Gesellschaft flüchtiger Studenten, in der Karl Moor sich befindet, ist nur dazu angetan, die geballte Leidenschaft zur Entladung zu bringen. Der großsprecherische Spiegelberg plädiert als erster dafür, sich in den böhmischen Wäldern niederzulassen und eine Räuberbande zu bilden. Der Gedanke zündet. Doch als Roller davon spricht, dass das Tier auch seinen Kopf haben muss, dass „auch die Freiheit ihren Herrn“ braucht, wird Karl Moor, nicht Spiegelberg, von der Bande zum Hauptmann gewählt. Und dieser, durch die Machenschaften seines Bruders Franz zur Verzweiflung getrieben, willigt ein. Die neue Räuberbande und ihr Hauptmann schwören sich gegenseitig Treue und Gefolgschaft bis zum Tod. Auf dem Schloß des alten Moor treibt indessen Franz sein Spiel weiter. Er hofft, nunmehr auch Karls Braut, Amalia von Edelreich, die als Waise auf dem Schloß lebt, für sich zu gewinnen. Wenn er auch vorerst von ihr nichts als Verachtung empfängt, so hofft er doch, Karl mit Verleumdungen aus Ihrem Herzen vertreiben und sie mit der Zeit ganz für sich gewinnen zu können. Um schneller in den Besitz der Herrschaft seines Vaters zu gelangen, sinnt er auf Mittel, den alten Grafen aus der Welt zu schaffen. Hermann, eine seiner Kreaturen, muss in der Verkleidung eines Boten melden, dass Karl als Soldat bei einem Treffen vor Prag gefallen sei. Der Schreck soll - so hofft Franz - den Vater töten. Der Plan scheint zu gelingen. Der alte Moor, ohnehin von Selbstanklagen wegen der Verfluchung Karls geplagt, sinkt bei der Nachricht wie tot um. Nun werden wir in die „Böhmischen Wälder“ versetzt, wo Karl und seine Gesellen ein freies Laben führen. Aber durch die Bande geht ein tiefer Riss: während es einem Teil - ihr Exponent ist Spiegelberg - nur um Raub, Brandstiftung und ein zügelloses Leben zu tun ist, das nicht einmal vor Klosterschändung und Nonnenvergewaltigung zurückscheut, geht das Streben des Hauptmanns Karl Moor einzig dahin, den Bedrängten zu helfen, die Unschuld zu rächen, Minister, Finanzräte und Advokaten, die „die Gerechtigkeit zur feilen Hure machen“, zu strafen. Mit einzelnen seiner Bande fühlt er sich auf Tod und Leben verbunden, so mit Roller, den er wenige Schritte vor dem Galgen noch zu retten weiß und für dessen Befreiung er eine ganze Stadt in Schutt und Asche legt. Als er mit der Bande im Wald von regulärem Militär eingeschlossen wird, kommt es zu einem dramatischen Höhepunkt: ein Pater bietet der Bande Generalpardon an, wenn sie den Hauptmann gefesselt ausliefert. Karl Moor, der ohnedies an der Tragik seine Räuberlebens leidet, bietet sich freiwillig als Opfer für alle an. Roller reißt die Bande aber mit dem Anruf: „Und wenn die Hölle uns neunfach umzingelte! Wer kein Hund ist, rette den Hauptmann!“ zu wilder Kampfesbegeisterung fort. Es gelingt ihnen, sich durchzuschlagen. Auf dem Moorschen Schlosse regiert nunmehr Franz. Vergeblich wirbt er um die Hand Amalias. Da sie sich standhaft weigert, will er sie mit Gewalt zu seiner Mätresse machen, wogegen sie sich mit der Waffe in der Hand zu wehren weiß. Aus dem Geständnis des reuigen Hermann erfährt Amalia, dass Karl noch lebt. Die Räuberbande ist inzwischen bis zur Donau vorgestoßen. Hier rastet sie nach dem aufregenden Durchbruchskampf, der nur einem von ihnen, Roller, das Leben kostet. Seinen Platz wird in Zukunft der junge Kosinsky einnehmen, der neu zu ihnen stößt. Er hat ein ähnliches Lebensschicksal wie Karl Moor, und die zufällige Namensgleichheit seiner Braut Amalia ist der Anlass, dass Karl Moor mit der Bande nach seiner Heimat in Franken aufbricht. Er lässt sich auf dem Schloß als „Graf von Brand“ einführen. Es kommt zur Begegnung mit Amalia und mit dem alten treuen Diener Daniel, der ihn an einer Narbe an der Hand erkennt. Schon wittert Franz Verdacht, und schon will Karl Moor, der mit Selbstmordgedanken spielt, die Stätte seiner Kindheit wieder verlassen, als er zum Zeugen des furchtbaren Verbrechens wird, das sein Bruder an seinem Vater verübt hat. Der alte Moor war damals nicht gestorben. Franz wollte den Lebenden aber nicht länger dulden und hatte ihn lebendig begraben lassen. Hermann hatte ihn dann aus dem Sarg befreit und in einem alten verfallenen Turm in der Nähe des Schlosses, wo die Räuberbande lagert, versteckt gehalten. Karl Moor sieht, wie Hermann ihm heimlich Nehrung bringt. Nun kennt Karl Moors Zorn gegen seinen Bruder keine Grenzen mehr. „Höre mich, dreimal schrecklicher Gott. Hier schwör´ ich, das Licht des Tages nicht mehr zu grüßen, bis des Vatermörders Blut gegen die Sonne dampft“. Schweizer, der inzwischen den verräterischen Spiegelberg beseitigt hat, wird beauftragt, Franz lebend zu fangen. Auf dem Schloß findet indessen Franz, von schwerer Gewissensschuld gedrückt, keine Ruhe. Er schildert dem alten Daniel das Traumbild des Jüngsten Gerichtes, das er hatte, und sucht mit gotteslästerlichen Reden auch dem schnell herbeigerufenen Pastor Moser gegenüber sich zu betäuben. Als die Sturmglocke läutet und Schweizer mit seinen Leuten hereindringt, erdrosselt er sich. Schweizer, der nun den Auftrag seines Hauptmanns, Franz lebend zu bringen, nicht erfüllen kann, erschießt sich. Es kommt vor dem Turm zur letzten, erschütternden Wiedererkennungsszene zwischen dem alten Moor und Karl und zwischen Karl und Amalia. Bei der Eröffnung, dass Karl der Hauptmann von „Räubern und Mördern“ ist, gibt der alte Moor seinen Geist auf. Amalia bekennt sich aber trotzdem zu Karl Moor. Doch die Bande fordert gebieterisch: „Opfer um Opfer! Amalia für die Bande!“ So tötet Karl Moor Amalia, die selbst zu sterben wünscht. „Moors Geliebte soll nur durch Moor sterben“. Karl Moor sieht aber nun mit aller Deutlichkeit, dass es ein Trugschluss war, zu wähnen, „die Welt durch Greuel zu verschönern und die Gesetze durch Gesetzlosigkeit aufrecht zu halten“. Er muss am Ende „mit Zähneklappern und Heulen“ erfahren, „dass zwei Menschen wie er den ganzen Bau der sittlichen Welt zugrunde richten würden“. Dieser höheren Einsicht fügt er sich, löst die Räuberbande auf und stellt sich selbst der Justiz. Er wird sich einem armen Tagelöhner mit elf Kindern in die Hände spielen, der die 1000 Louisdore haben soll, die man auf den „großen Räuber“ gesetzt hat: „Dem Mann kann geholfen werden“.

 

Interpretation:

 

In der Figur Karl Moor schlägt sich die Haltung jener kurzen literarischen Jugendbewegung in den beiden Jahrzehnten vor der Französischen Revolution nieder, die man nach einem Theaterstück eines ihrer Repräsentanten /Friedrich Maximilian Klinger, 1752-1831) „Sturm und Drang“ genannt hat. Diese literarische Bewegung forderte die Freiheit von Sitten- und Kunstgesetzen, sie verlangte statt dessen Natürlichkeit, Lebensechtheit, Wahrheit und Originalität. Der Sturm und Drang richtete sich insgesamt gegen die einseitig rationalistisch ausgerichteten Tendenz der Aufklärung. Da ihn jedoch eine Reihe seiner Voraussetzungen (gesellschaftskritische Ausrichtung, Empfindsamkeit) mit ihr verband, sieht man in ihr heute eher eine Fortführung der Aufklärungsbewegung als eine Gegenströmung zu ihr.

Die Grundmotive der Räuber sind ein Vater-Sohn Konflikt, „Scharz-Weiß-Malerei (Karl-Franz)“, Eifersucht, skrupellose Machtgier und die Auflehnung gegen die Obrigkeit.

Bis zum Höhepunkt (Karl erneuert seinen Schwur) laufen zwei Handlungen nebeneinander (Karl - Franz), dann aber entwickelt sie sich einheitlich und folgerichtig bis zur Katastrophe.

Karl Moor ist das Kraftgenie in seinem maßlosen Freiheitsdrang. Er ist in seinem Inneren zerfallen. Die Läuterung kommt ihm aus der Erkenntnis einer höheren Ordnung. Seine Taten sind „Robin Hood-Ähnlich“, seine Handlungsweise anarchistisch. Er beendet seine Untaten aus persönlichen Motiven, wodurch aber nicht unbedingt ein Misslingen der Anarchie abzuleiten ist. Seine Revolte endet durch die Liebe zum Vater und zu Amalia, die „Revolution“ scheitert grundsätzlich nicht.

Franz Moor wird faszinierend scharf gezeichnet. Er ist ein Mensch, der ohne Glauben an eine höhere Ordnung keinen Unterschied zwischen Mensch und Tier erkennt und daher gilt für ihn folgerichtig des Gesetz des Stärkeren, dem er in seinen Handlungen folgt: „...der Mensch entstehet aus Morast, und watet eine Weile im Morast, und macht Morast, bis er zuletzt an den Schuhen seines Urenkels unflätig anklebt. Das ist das Ende vom Lied - der morastische Zirkel der menschlichen Bestimmung“ (4.Akt, 2.Szene). Kurz vor seinem Selbstmord (5.Akt, 1.Szene) sagt er noch: „Ich kann nicht beten - hier hier! (auf Brust und Stirn schlagend) alles so öd - so verdorret. Nein ich will auch nicht beten - diesen Sieg soll der Himmel nicht haben, diesen Spott mir nicht antun die Hölle -“.

Amalia und Maximilian, der alte Moor sind nicht durchgezeichnet und daher schwach im Ausdruck.

Interessant ist, dass Schillers erster Lehrer in Lorch ein Pastor Moser war, dieser Name auch hier in den Räubern vorkommt (Beichtvater Franz´).

 

 

 

 

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