Regie: Claus Peymann
Gotthold Ephraim Lessings dramatisches Gedicht
„Nathan der Weise“ aus dem Jahre 1779, das hohe Lied vom Humanismus, von der
Friedfertigkeit der Menschen, ist neben dem ästhetischen Anspruch letztlich
leider nichts anderes als ein literarischer Beleg für die tragische Ohnmacht
der Menschen wie der Gesellschaft gegenüber mörderischer Zwietracht zwischen
Rassen und Religionen.
Dennoch setzte Hausherr Claus Peymann das Stück sehr
bewusst gerade jetzt am Berliner Ensemble in Szene. Aber er mied die direkte
Beziehung zu Jerusalem (Lessing: „Die Scene ist Jerusalem“), den Ort, wo jener
Kampf immer wieder erbittert ausgetragen wird. Bühnenbildner Achim Freyer
lieferte ihm eine abstrakte Szene, einen Ort überall auf der Welt. Er
beleuchtete das schwarz getünchte Bühnenhaus und fertigte einen Boden, der je
nach Bedarf schwelte wie verbrannte Erde. Mörderische Zeiten...
Im Kontrast dazu das Spiel. Heiterkeit. Ironie. Gezeigt wird ein
Märchenland, in dem Christen, Juden und Muselmanen offenbar relativ unbeschwert
nebeneinander leben können. Dank eines recht weisen und ein wenig salopp regierenden
Sultan (Hans Peter Korff), einem sanft-kauzigen Herrscher von mildherziger,
weltoffener Seele, der vernünftigen Argumenten zugänglich ist und mäßigend
ausgleicht zwischen verhärteten religiösen Fronten.
Angesichts solch märchenhaft angenehmer Verhältnisse ist man denn auch
gar nicht verwundert, dass am Ende fast alle in den Konflikt verwickelten
Figuren auf wirklich wunderbare Weise miteinander verwandt sind, so dass schon
aus familiären Gründen Versöhnung angesagt ist. Nur Nathan, der Jude, der Frau
und sieben Söhne durch Verbrechen verloren hat, geht leer aus, bleibt tragisch
allein.
Den Nathan besetzte Peymann mit Peter Fitz, einen Schauspieler, bei dem
er gewiss war, dass nicht hehre Würde eines Greises dominiert, sondern die
alltägliche Normalität eines vom Schicksal gebeugten kleinen Geschäftsmannes.
Das Ensemble in ausgezeichneter Spiellaune. Hervorragend Carmen-Maja
Antoni als Rechas Gesellschafterin Daja, exzellent auch Veit Schubert als
clownesker Derwisch, dann als protzig selbstgerechter Patriarch, Martin Seifert
als schmierig-schäbiger Klosterbruder und Markus Meyer als junger und prompt
verliebter Tempelherr. Eine ausgesprochene Fehlbesetzung: Anna Böger, eine
leider einfach zu grosse, zu ungelenke Recha.
Am Ende kontert Regisseur Peymann sein Märchen, schickt Carmen-Maja
Antoni vor den Vorhang, um sie Heiner Müllers kruden Text „Lessings Schlaf
Traum Schrei“ vortragen zu lassen, was die Darstellerin in ihrer spröd-drastischen
Art souverän absolviert
Lang anhaltender Beifall.
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