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Gregor Gysis neueste Luftnummer

Seine Erklärung zum Parteitag der PDS in Gera

 

 

 

Die Niederlagen der PDS bei der Bundestagswahl und der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern wären reparabel und verkraftbar gewesen, ihr Geraer Parteitag wohl kaum. Die Mehrheit der Delegierten und Gabi Zimmer haben meines Erachtens mehrere strategische Fehler begangen:

 

1.Die so genannten Reformer in der PDS wurden fallen gelassen, haben sich allerdings zerstritten auch fallen lassen. Sie waren mehrheitsfähig und geduldet, so lange sie den Erfolg der PDS garantierten. Nach den beiden Wahlniederlagen scheinen sie nicht mehr dieser Garant und damit für die anderen verzichtbar geworden zu sein. Abgesehen davon, dass die so genannten Reformer - mich eingeschlossen -tatsächlich Fehler begangen haben, ist ihnen aber schon auf dem Parteitag in Münster im Jahr 2000 zum Teil ihre politische Grundlage entzogen worden. Gabi Zimmer hat in Gera die Mitglieder jener Strömungen und Plattformen gewonnen, die sie ohnehin nicht hätte verlieren können, weil diese ohne die PDS bedeutungslos wären. Sie hat aber die Unterstützung eines beachtlichen Teils der Akteure und Multiplikatoren in den Ländern und Kommunen einschließlich ihrer Parlamentarier verloren.

2.

Der Parteitag erinnerte sich, dass die PDS in der Zeit ihrer Ausgrenzung erfolgreich war, sie dagegen mit ihrer gewachsenen Akzeptanz in der Gesellschaft, in den Medien und im Parteiensystem nur schlecht umgehen konnte. Nun hofft die Mehrheit der Delegierten, mit einer selbst gewählten Isolierung (Motto: Keinen Frieden mit dieser Gesellschaft!) an alte Erfolge anknüpfen zu können. Das jedoch ist ein Irrtum. Eine aufgezwungene Isolation erzeugt Solidarität bei denen, die diese als ungerecht und ungerechtfertigt ansehen. Eine selbst gewählte Isolation führt dagegen dazu, dass die Menschen sich abwenden. Wer sich einigelt, will nicht mehr für andere wirken, sondern nur sich selbst genügen.

3

. In Teilen der PDS werden Visionen und Pragmatismus alternativ gesehen. Der Parteitag in Gera hat sich mehrheitlich für verschwommene Visionen, für einige Prinzipien und gegen Pragmatismus entschieden. Auch das muss zur allmählichen Bedeutungslosigkeit der Partei führen. Denn Visionen und Pragmatismus gehören zusammen. Eine sozialistische Partei ohne Visionen ist keine, spricht weder junge Leute noch Intellektuelle an, ist orientierungslos. Eine Partei ohne Pragmatismus verzichtet darauf, für konkrete Alternativen in der Gesellschaft zu streiten, in der die Menschen leben, in der sie glücklicher oder unglücklicher werden können. Wer nicht pragmatisch sein will, der will an der konkreten Lebenssituation von Menschen nichts verbessern, der erhebt sich arrogant über deren Probleme, Leistungen, Erfahrungen und Gefühle, ist selbstbezogen. Er wird jede Verschlechterung der Lebenssituation als Bestätigung für seine Auffassung ansehen, ohne dagegen etwas unternommen zu haben. Diese Haltung ist weder human noch sozialistisch. Manchmal kann man zwar einen Saal gewinnen aber wichtige Teile der Gesellschaft gleichzeitig verlieren.

4

. Der Parteitag hätte berechtigt Kritik üben können an den Verantwortlichen der PDS in den Landesregierungen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin. Ihnen aber jede Solidarität zu verweigern, die Schwierigkeit ihrer Aufgaben zu ignorieren und die Notwendigkeit des Sammelns von Erfahrungen zu übersehen, ist nicht nur intellektuell unredlich, sondern muss dazu führen, dass entweder die Regierungsbeteiligungen der PDS beendet werden oder aber ihre Träger sich weitgehend von der Bundespartei und deren Vorstand abkapseln. Letzteres bedeutete faktisch zwei Parteien in formal einer.

5.    

Der Parteitag hat keine wirkliche Führung gewählt. Aber keine Partei kommt ohne Führung aus. Das politische Niveau des neuen Vorstandes ist - von einigen Ausnahmen abgesehen - wenig überzeugend. Die so genannten Leistungsträger der Partei sind zu wenig vertreten. Eine solche Feststellung klingt arrogant, was mir Leid tut, aber wahr ist sie und ausgesprochen werden muss sie. Mit dieser intellektuellen und kulturellen Schwäche wird verbunden sein, dass linke Intellektuelle diese Partei noch weniger begleiten werden, auch nicht kritisch und fordernd. Eine Medienöffentlichkeit wird dieser Vorstand nur noch sehr eingeschränkt herstellen können. Bundesweit droht dieser Vorstand und damit die Partei in Vergessenheit zu geraten.

6. Die Wahlniederlagen bei der Bundestagswahl und in Mecklenburg-Vorpommern sind schwerwiegend, sie rechtfertigen aber nicht die Geringschätzung der 1,9 Millionen Menschen, die die PDS gewählt haben. Für sie hatte der Parteitag in Gera kaum politische Angebote. Immerhin haben die PDS im Osten 16,9 Prozent der Wählerinnen und Wähler gewählt. Im Vergleich: FDP und Grüne liegen jeweils deutlich unter 5 Prozent. Das vorhandene Potenzial gering zu schätzen, ist ein weiterer Fehler dieses Parteitages gewesen.

7. Politikangebote hat es in Gera kaum gegeben. Weder in der Friedens-, geschweige denn in der Wirtschafts-, Arbeitsmarkt-, Gesundheits-, Bildungs-, Umwelt- oder Sozialpolitik. Die möglichen Adressaten von PDS-Politik, die sozial Ausgegrenzten, die Arbeitslosen, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die kleinen und mittleren Unternehmerinnen und Unternehmer, die Selbständigen, Freiberuflerinnen und Freiberufler, die Jugendlichen, die Rentnerinnen und Rentner, die Intellektuellen können sich durch diesen Parteitag nicht angesprochen fühlen. Ostdeutsche Interessen zu vertreten bedeutet heute, selbstbewusst auf Leistungen der Menschen in der DDR und in den letzten zwölf Jahren zu verweisen und die Überwindung von Benachteiligungen einzufordern und nicht, sich selbst klein zu machen und Wehleidigkeit auszustrahlen.

Für mich bleibt zu konstatieren: Der Parteitag in Gera war der erste, bei dem ich als Delegierter regelmäßig in einer Minderheitenposition geblieben wäre. Nur bleibe ich von einem überzeugt: Deutschland braucht eine demokratisch­sozialistische Partei, die sich dem Zeitgeist eines neoliberalen Turbokapitalismus entgegen stellt, die eine aktive Friedenspolitik betreibt, die Freiheit und Gleichheit als Einheit ansieht, die vernünftiges Wirtschaften anstrebt, die für ökologische Nachhaltigkeit eintritt, die im oben genannten Sinne für eine deutsche Einheit in Gleichheit eintritt und dabei auch das Selbstbewusstsein der Ostdeutschen widerspiegelt und die sich für ein Höchstmaß an sozialer Gerechtigkeit weltweit und in Deutschland einsetzt.

 

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